Sozialversicherungsbeiträge auf Dividenden: Was Anleger jetzt wissen müssen

Die Bundesregierung prüft, Kapitalerträge wie Dividenden in die Bemessungsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge einzubeziehen. Was bedeutet das für private Anleger? Wir zeigen die konkreten Auswirkungen auf Ihre Rendite und geben praktische Handlungsempfehlungen.
Für Millionen Anleger in Deutschland, die auf Dividenden als Baustein ihrer Altersvorsorge oder als regelmäßige Einkommensquelle setzen, könnte diese Reform erhebliche Konsequenzen haben. Während die politische Debatte noch am Anfang steht und weder Beitragshöhe noch Freibeträge feststehen, lohnt sich bereits jetzt ein genauer Blick auf mögliche Szenarien. Denn die Auswirkungen auf die Nettorendite und das langfristige Vermögenswachstum können beträchtlich sein – insbesondere wenn Dividenden über Jahre hinweg reinvestiert werden und der Zinseszinseffekt zum Tragen kommt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Politik prüft aktuell, ob auf Dividenden und andere Kapitalerträge zusätzlich Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden sollen
- Ein zusätzlicher SV-Beitrag von 10 % würde die Nettoquote einer Dividende von 73,625 % auf 63,625 % reduzieren
- Bei langfristiger Reinvestition können sich die Effekte erheblich summieren: Bei 100.000 € Startkapital wären nach 20 Jahren rund 13.400 € weniger Vermögen vorhanden
- Konkrete Regelungen, Freibeträge und Beitragssätze sind noch völlig offen
- Anleger sollten ihre Anlagestrategie überprüfen und ggf. Ausschüttungs- vs. Thesaurierungspolitik anpassen
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Politischer Hintergrund: Was wird geprüft?
Die Bundesregierung untersucht verschiedene Optionen zur Verbreiterung der Beitragsbasis für Kranken- und Pflegekassen. Ein zentraler Ansatzpunkt: die Einbeziehung von Kapitalerträgen wie Dividenden, Zinsen und Fondsausschüttungen in die Bemessungsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge. Hintergrund dieser Überlegungen ist der zunehmende Finanzierungsdruck im Gesundheits- und Pflegesystem, der durch demografische Entwicklungen und steigende Gesundheitskosten verschärft wird.
Ziel dieser Prüfung ist es, höhere Einnahmen für die Sozialkassen zu erzielen und die Finanzierungslast breiter zu verteilen. Befürworter argumentieren, dass in einer modernen Volkswirtschaft alle Einkommensarten zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen sollten – nicht nur Arbeitseinkommen, sondern auch Kapitaleinkünfte. Die öffentliche Debatte dreht sich dabei um grundsätzliche Fragen der Steuergerechtigkeit: Sollen Kapitaleinkünfte ähnlich wie Arbeitseinkommen behandelt werden? Wie können Kleinsparer geschützt werden? Und wie verhindert man, dass vermögende Anleger ihr Kapital ins Ausland verlagern?
Kritiker der Pläne verweisen auf den hohen Verwaltungsaufwand, potenzielle Umgehungsstrategien und negative Effekte auf die private Altersvorsorge. Zudem sei zu erwarten, dass bei großzügigen Freibeträgen – die zum Schutz von Kleinsparern notwendig wären – die tatsächlichen Mehreinnahmen deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben könnten.
Wichtig: Konkrete Gesetzestexte, Freibeträge, Anrechnungsregeln und finale Beitragssätze existieren noch nicht. Die Initiative befindet sich in einer frühen Prüf- und Abwägungsphase. Dennoch lohnt es sich für Anleger, die möglichen Szenarien zu verstehen und sich auf potenzielle Veränderungen vorzubereiten.
Status Quo: So werden Dividenden heute besteuert
Bevor wir die möglichen Zusatzbelastungen betrachten, ein kurzer Blick auf die aktuelle Situation:
Abgeltungsteuer: Kapitalerträge unterliegen in Deutschland der Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag. Dies ergibt effektiv eine Gesamtbelastung von 26,375 Prozent. Die Abgeltungsteuer wurde 2009 eingeführt und gilt als abgeltend – das heißt, die Steuerschuld ist mit Zahlung der Abgeltungsteuer vollständig erfüllt, unabhängig vom persönlichen Einkommensteuersatz des Anlegers.
Sparerpauschbetrag: Bis zu einem Betrag von 1.000 Euro pro Person (2.000 Euro bei Zusammenveranlagung) bleiben Kapitalerträge steuerfrei. Dieser Freibetrag soll insbesondere Kleinsparer entlasten und den Verwaltungsaufwand für Bagatellfälle reduzieren.
Unternehmensebene: Hinzu kommt, dass Unternehmensgewinne bereits auf Unternehmensebene durch Körperschaftsteuer (15 Prozent) und Gewerbesteuer (im Durchschnitt ca. 14 Prozent) belastet werden, bevor sie als Dividende ausgeschüttet werden. Rechnet man die vorgelagerte Unternehmensbesteuerung mit ein, liegt die tatsächliche Gesamtbelastung auf ausgeschüttete Gewinne bei rund 48 Prozent – deutlich höher als die reinen 26,375 Prozent auf Anlegerebene. Diese Doppelbesteuerung wird in der Debatte um weitere Abgaben häufig übersehen.
Diese Ausgangssituation ist entscheidend, um die Dimension möglicher Zusatzbelastungen einzuordnen. Eine weitere Abgabe auf Dividenden würde faktisch eine Dreifachbelastung bedeuten: erst auf Unternehmensebene, dann die Abgeltungsteuer auf Anlegerebene und schließlich die zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge.
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Rechenbeispiel 1: Einmalige Ausschüttung – So wirkt ein zusätzlicher SV-Beitrag
Um die konkreten Auswirkungen zu verstehen, betrachten wir zunächst eine einmalige Dividendenausschüttung. Die folgende Tabelle zeigt, was bei verschiedenen Ausschüttungshöhen vom Bruttobetrag übrig bleibt – einmal nur mit Abgeltungsteuer (Status Quo) und einmal mit einem illustrativen zusätzlichen SV-Beitrag von 10 Prozent.
| Brutto-Dividende | Abgeltung+Soli (26,375 %) | SV (10 %) | Netto ohne SV | Netto mit SV |
|---|---|---|---|---|
| 10.000 € | 2.638 € | 1.000 € | 7.363 € | 6.363 € |
| 25.000 € | 6.594 € | 2.500 € | 18.406 € | 15.906 € |
| 50.000 € | 13.188 € | 5.000 € | 36.813 € | 31.813 € |
| 100.000 € | 26.375 € | 10.000 € | 73.625 € | 63.625 € |
Was bedeutet das konkret? Bei einer Bruttodividende von 10.000 € würden Sie heute nach Abgeltungsteuer 7.363 € netto erhalten. Mit einem zusätzlichen SV-Beitrag von 10 Prozent sinkt dieser Betrag auf 6.363 € – ein Verlust von exakt 1.000 €.
Die absolute Belastung steigt linear mit der Ausschüttungshöhe, die prozentuale Wirkung bleibt jedoch konstant: Unabhängig davon, ob Sie 10.000 € oder 100.000 € Dividende erhalten, der zusätzliche SV-Beitrag reduziert Ihr Netto um denselben relativen Anteil.
Rechenbeispiel 2: Effektive Nettoquote im Vergleich
Noch anschaulicher wird die Wirkung, wenn wir die effektive Nettoquote betrachten – also den Anteil der Bruttodividende, der tatsächlich bei Ihnen ankommt:
| Brutto-Dividende | Nettoquote Status Quo | Gesamtabzug Status Quo | Nettoquote mit SV (10 %) | Gesamtabzug mit SV |
|---|---|---|---|---|
| 10.000 € | 73,625 % | 26,375 % | 63,625 % | 36,375 % |
| 25.000 € | 73,625 % | 26,375 % | 63,625 % | 36,375 % |
| 50.000 € | 73,625 % | 26,375 % | 63,625 % | 36,375 % |
| 100.000 € | 73,625 % | 26,375 % | 63,625 % | 36,375 % |
Diese Darstellung verdeutlicht die prozentuale Dimension: Während heute knapp drei Viertel (73,625 %) Ihrer Bruttodividende bei Ihnen verbleiben, würde ein zusätzlicher SV-Satz von 10 % diese Quote auf 63,625 % drücken. Die Gesamtbelastung stiege von 26,375 Prozent auf 36,375 Prozent – ein Anstieg um 10 Prozentpunkte oder relativ betrachtet eine Erhöhung der Abgabenlast um etwa 38 Prozent.
Diese Prozentzahlen sind ein schneller Indikator, um verschiedene Szenarien zu vergleichen und die Verteilungswirkung einzuschätzen.
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Rechenbeispiel 3: Langfristwirkung – Der Zinseszinseffekt macht den Unterschied
Besonders deutlich werden die Auswirkungen bei langfristiger Geldanlage, wenn Dividenden reinvestiert werden. Hier greift der Zinseszinseffekt – und jeder Prozentpunkt weniger Nettorendite schmälert das Endvermögen erheblich. Was kurzfristig nach einer überschaubaren Zusatzbelastung aussieht, entwickelt sich über Jahrzehnte zu einem signifikanten Vermögensunterschied.
Der Mechanismus dahinter ist einfach, aber wirkungsvoll: Bei einer niedrigeren Nettorendite reinvestieren Sie nicht nur weniger Kapital, sondern dieses geringere Reinvestitionsvolumen erwirtschaftet in den Folgejahren ebenfalls weniger Erträge. Diese Erträge fallen wiederum niedriger aus und so weiter. Der Effekt verstärkt sich mit jedem Jahr – Mathematiker sprechen von exponentieller Entwicklung.
Methodik: Wir gehen von folgenden Annahmen aus:
- Bruttodividendenrendite: 4 % p.a.
- Netto-Rendite ohne SV: 4 % × (1 − 0,26375) = 2,945 % p.a.
- Netto-Rendite mit 10 % SV: 4 % × (1 − 0,36375) = 2,545 % p.a.
- Anlagehorizont: 20 Jahre
- Vollständige Reinvestition der Nettodividenden
| Startkapital | Endwert ohne SV (r=2,945 %) | Endwert mit SV 10 % (r=2,545 %) | Differenz | |
|---|---|---|---|---|
| 10.000 € | 17.870 € | 16.530 € | -1.340 € | |
| 25.000 € | 44.675 € | 41.325 € | -3.350 € | |
| 50.000 € | 89.350 € | 82.650 € | -6.700 € | |
| 100.000 € | 178.700 € | 165.300 € | -13.400 € | |
Die Langfristwirkung ist erheblich: Bei einem Startkapital von 100.000 € führt ein zusätzlicher SV-Abzug von 10 % zu einem um 13.400 € niedrigeren Endvermögen nach 20 Jahren. Das entspricht einem Vermögensverlust von etwa 7,5 Prozent gegenüber dem Status Quo-Szenario.
Dieser Effekt zeigt die Bedeutung der Besteuerung für die langfristige Vermögensbildung und private Altersvorsorge. Gerade Anleger, die auf regelmäßige Dividendenausschüttungen für ihren Ruhestand setzen, müssten ihre Finanzplanung möglicherweise grundlegend überdenken.
Sensitivitätsanalyse: Wie wirken unterschiedliche SV-Sätze?
Natürlich ist noch völlig offen, welcher SV-Satz im Fall einer Umsetzung tatsächlich zur Anwendung käme. Die folgende Tabelle zeigt die Wirkung verschiedener Szenarien:
Tabelle 4: Sensitivität der Nettoquote bei unterschiedlichen SV-Sätzen (Beispiel: 50.000 € Bruttodividende)
| SV-Satz | Nettoquote | Gesamtabzug | Netto-Betrag | |
|---|---|---|---|---|
| 0 % (Status Quo) | 73,625 % | 26,375 % | 36.813 € | |
| 5 % | 68,625 % | 31,375 % | 34.313 € | |
| 10 % | 63,625 % | 36,375 % | 31.813 € | |
| 15 % | 58,625 % | 41,375 % | 29.313 € | |
| 20 % | 53,625 % | 46,375 % | 26.813 € | |
Die Tabelle zeigt eine lineare Wirkung: Jeder zusätzliche Prozentpunkt SV reduziert die Nettoquote um exakt 1 Prozentpunkt. Bereits moderate SV-Sätze von 10-15 Prozent erhöhen die Gesamtbelastung deutlich und können Anlageentscheidungen erheblich beeinflussen.
Politisch besonders relevant: Bei einem SV-Satz von 20 Prozent würde nahezu die Hälfte (46,375 Prozent) der Bruttodividende durch Abgaben aufgezehrt – ein Niveau, das viele Anleger als konfiskatorisch empfinden dürften.
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Auswirkungen auf Anleger und Unternehmen
Privatanleger: Strategische Neuausrichtung wahrscheinlich
Sollten Sozialversicherungsbeiträge auf Dividenden eingeführt werden, müssten viele Privatanleger ihre Anlagestrategie überdenken. Die Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen würde die relative Attraktivität verschiedener Anlageformen verschieben und könnte zu erheblichen Umschichtungen in den Portfolios führen.
Thesaurierende vs. ausschüttende ETFs: Wenn Ausschüttungen stärker belastet werden, steigt die Attraktivität thesaurierender Fonds, die Erträge automatisch reinvestieren und erst bei Verkauf der Steuer unterliegen. Der entscheidende Vorteil: Der Steuerstundungseffekt würde noch wertvoller, da nicht nur die Abgeltungsteuer, sondern auch die SV-Beiträge erst später fällig werden. Für langfristig orientierte Anleger könnte der Wechsel von ausschüttenden zu thesaurierenden ETFs eine sinnvolle Reaktion sein – insbesondere, wenn sie die laufenden Ausschüttungen ohnehin nicht für den Lebensunterhalt benötigen.
Steueroptimierte Vehikel: Strukturierte Produkte, Versicherungsmantellösungen oder andere steueroptimierte Anlagevehikel könnten an Bedeutung gewinnen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Höhere Kosten und komplexere Strukturen können die Steuervorteile schnell wieder aufzehren. Eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse ist unerlässlich.
Alternative Anlageklassen: Immobilien, inflationsgeschützte Anleihen oder Edelmetalle könnten für einige Anleger attraktiver werden, wenn die Dividendenbesteuerung steigt. Besonders Immobilien profitieren von ihrer Sonderstellung im Steuersystem und bieten neben möglichen Wertsteigerungen auch steuerlich privilegierte Mieteinnahmen.
Kleinsparer-Problematik: Politisch besonders sensibel ist die Frage, wie Kleinanleger geschützt werden. Großzügige Freibeträge – beispielsweise analog zum Sparerpauschbetrag – könnten die Verhaltensänderung bei diesem Segment begrenzen, würden aber gleichzeitig die fiskalischen Mehreinnahmen reduzieren. Hier besteht ein klassischer Zielkonflikt zwischen sozialer Gerechtigkeit und fiskalischer Effizienz.
Unternehmen: Ausschüttungspolitik auf dem Prüfstand
Auch für Unternehmen ergeben sich strategische Fragen:
Dividendenpolitik: Firmen könnten ihre Ausschüttungsquoten reduzieren und stattdessen mehr Gewinne thesaurieren oder in Wachstum investieren.
Aktienrückkäufe: Wenn Rückkäufe steuerlich günstiger bleiben, könnten sie zur bevorzugten Methode der Kapitalrückführung werden.
Rechtsformwahl: Langfristig könnte die Regelung auch Entscheidungen über Unternehmensstandorte und Rechtsformen beeinflussen.
Investitionsanreize: Kritiker warnen, dass höhere Kapitalbelastungen die Eigenkapitalkosten erhöhen und damit Investitionen bremsen könnten.
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Kritikpunkte und offene Fragen
Die Debatte um SV-Beiträge auf Dividenden ist kontrovers, und zahlreiche Fragen bleiben offen:
Verwaltungsaufwand und Umsetzbarkeit
Die Einführung würde neue Melde- und Abrechnungsmechanismen erfordern. Banken und Depotstellen müssten zusätzliche Daten erfassen und übermitteln – nicht nur die Höhe der Kapitalerträge, sondern auch die Zuordnung zu verschiedenen Sozialversicherungsträgern, abhängig vom Versicherungsstatus des jeweiligen Anlegers. Die Implementationskosten für Behörden und Finanzintermediäre wären erheblich.
Besonders komplex wird es bei Mischformen: Wie werden Anleger behandelt, die teilweise gesetzlich und teilweise privat versichert sind? Wie erfolgt die Abrechnung bei Ehepartnern mit unterschiedlichem Versicherungsstatus? Diese praktischen Fragen der Umsetzung könnten sich als deutlich schwieriger erweisen als die politische Grundsatzentscheidung. Wirtschaftsverbände warnen bereits vor einem Bürokratiemonster, das die erhofften Mehreinnahmen durch Verwaltungskosten teilweise wieder aufzehren würde.
Umgehungsmöglichkeiten
Anleger könnten auf verschiedene Weise reagieren, um die Zusatzbelastung zu vermeiden:
- Umschichtung in thesaurierende Produkte: Der einfachste Weg wäre der Wechsel zu Fonds, die keine laufenden Ausschüttungen vornehmen
- Umwandlung von Ausschüttungen in Kursgewinne: Unternehmen könnten verstärkt auf Aktienrückkäufe setzen, die bei Anlegern zu Kursgewinnen statt Dividenden führen
- Verlagerung von Vermögen ins Ausland: Vermögende Anleger könnten Depots in Länder verlagern, die keine SV-Beiträge auf Kapitalerträge erheben
- Nutzung von Holding-Strukturen: Komplexere Gestaltungen über ausländische oder inländische Holding-Gesellschaften könnten an Attraktivität gewinnen
Diese Ausweichreaktionen könnten die tatsächlichen Mehreinnahmen deutlich unter den Erwartungen bleiben lassen. Internationale Erfahrungen mit ähnlichen Steuern zeigen, dass gerade vermögende Anleger – die den größten Teil der Kapitalerträge erzielen – besonders stark auf steuerliche Anreize reagieren. Die Gefahr besteht, dass am Ende vor allem mittelständische Anleger ohne aufwendige Steueroptimierungsstrukturen die Hauptlast tragen würden.
Anrechnung und Doppelbelastung
Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage der Anrechnung: Sollten bereits gezahlte Steuern auf die SV-Beiträge angerechnet werden? Ohne Anrechnung droht eine kumulative Belastung, die als unfair empfunden werden könnte. Bei einer additiven Belastung – also Abgeltungsteuer plus SV-Beiträge ohne gegenseitige Anrechnung – würde die Gesamtbelastung auf Anlegerebene schnell auf über 40 Prozent steigen (bei einem SV-Satz von 15 Prozent beispielsweise auf 41,375 Prozent).
Denkbar wären verschiedene Anrechnungsmodelle: Man könnte die SV-Beiträge von der Bemessungsgrundlage der Abgeltungsteuer abziehen, sodass nur der nach SV-Abzug verbleibende Betrag der Abgeltungsteuer unterliegt. Oder man könnte einen Teil der gezahlten Abgeltungsteuer auf die SV-Beiträge anrechnen. Jede dieser Varianten hätte unterschiedliche Auswirkungen auf die tatsächliche Belastung und die fiskalischen Effekte. Die technische Ausgestaltung dieser Anrechnungsregeln wird entscheidend für die Akzeptanz und Praktikabilität der Reform sein.
Freibeträge und Ausnahmen
Entscheidend für Akzeptanz und fiskalischen Ertrag wird sein, wie Freibeträge ausgestaltet werden und welche Gruppen (Kleinsparer, Rentner, Beamte, privat Versicherte) ggf. ausgenommen werden.
Praxis-Tipps: Was Sie jetzt tun sollten
Auch wenn konkrete Regelungen noch in weiter Ferne liegen, können Sie sich bereits heute vorbereiten:
- Portfolio-Review: Prüfen Sie Ihre aktuelle Vermögensstruktur. Wie hoch ist Ihr Anteil ausschüttungsorientierter Investments? Wären Sie von möglichen Änderungen stark betroffen? Besonders relevant ist diese Frage für Anleger, die auf regelmäßige Ausschüttungen für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind oder diese als Einkommensquelle im Ruhestand eingeplant haben. Erstellen Sie eine Übersicht Ihrer jährlichen Dividendeneinkünfte und rechnen Sie verschiedene Szenarien durch: Wie würde sich Ihre finanzielle Situation bei einer Zusatzbelastung von 5 %, 10 % oder 15 % verändern?
- Ausschüttung vs. Thesaurierung: Überlegen Sie, ob ein Umstieg auf thesaurierende ETFs für Sie sinnvoll sein könnte. Diese bieten bei gleichem Index oft steuerliche Vorteile durch den Steuerstundungseffekt – ein Vorteil, der bei Einführung von SV-Beiträgen noch wertvoller würde. Wichtig dabei: Der Wechsel macht vor allem dann Sinn, wenn Sie die Ausschüttungen aktuell ohnehin reinvestieren und nicht für laufende Ausgaben benötigen. Wer hingegen von den Dividenden lebt, für den bleiben ausschüttende Fonds auch künftig die bessere Wahl.
- Diversifikation: Eine breite Streuung über verschiedene Anlageklassen macht Sie unabhängiger von regulatorischen Änderungen in einzelnen Bereichen. Neben Aktien und Aktienfonds können auch Anleihen, Immobilien oder Rohstoffe sinnvolle Bausteine eines ausgewogenen Portfolios sein.
- Steuerliche Beratung: Lassen Sie sich von einem Steuerberater beraten, insbesondere wenn Sie größere Vermögen oder komplexere Strukturen haben. Ein guter Steuerberater kann nicht nur die aktuellen Auswirkungen berechnen, sondern auch Optimierungsstrategien entwickeln, die rechtlich einwandfrei sind.
- Langfristige Finanzplanung: Rechnen Sie verschiedene Szenarien durch. Wie würde sich Ihre Altersvorsorgestrategie bei unterschiedlichen Belastungsszenarien verändern? Nutzen Sie dafür auch Online-Rechner oder Finanzplanungstools. Besonders wichtig: Bauen Sie einen Puffer ein, denn die tatsächliche Entwicklung könnte sowohl günstiger als auch ungünstiger ausfallen als heute absehbar.
- Informiert bleiben: Verfolgen Sie die politische Debatte aufmerksam. Sobald konkrete Gesetzesvorhaben vorliegen, sollten Sie Ihre Strategie gegebenenfalls anpassen. Abonnieren Sie Newsletter seriöser Finanzmedien oder nutzen Sie Nachrichtenaggregatoren, um keine wichtigen Entwicklungen zu verpassen.
Fazit: Abwarten und beobachten – aber vorbereitet sein
Die Prüfung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Dividenden könnte – sollte sie tatsächlich umgesetzt werden – erhebliche Auswirkungen auf die Nettorendite von Kapitalanlagen haben. Unsere Berechnungen zeigen, dass bereits moderate SV-Sätze die Gesamtbelastung spürbar erhöhen und langfristig die Vermögensbildung beeinflussen würden.
Die entscheidenden Faktoren:
- Höhe des finalen Beitragssatzes
- Ausgestaltung von Freibeträgen
- Anrechnungsregeln auf bestehende Steuern
- Administrative Umsetzung und Übergangsfristen
Anleger sollten die Debatte aufmerksam verfolgen, ihre Strategie überprüfen und sich auf mögliche Anpassungen vorbereiten – ohne jedoch voreilig zu handeln, solange konkrete Regelungen fehlen. Eine ausgewogene, diversifizierte Anlagestrategie bleibt in jedem Fall die beste Grundlage für langfristigen Vermögensaufbau.
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Quellen und weiterführende Links
- Institut der deutschen Wirtschaft: Sozialabgaben auf Kapitalerträge – Berechnungen zu den Auswirkungen
- Handelsblatt: Dividenden und Zinsen – Debatte um Sozialbeiträge auf Kapitaleinkünfte
- stock3: Bundesregierung prüft Sozialabgaben auf Kapitalerträge – Aktuelle Entwicklungen
Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Steuer- oder Anlageberatung dar. Die verwendeten Zahlen basieren auf Illustrationsszenarien mit den folgenden Annahmen: Abgeltungsteuer inkl. Solidaritätszuschlag = 26,375 %, Beispiel-SV-Beitrag = 10 %, Bruttodividendenrendite = 4 % p.a., Anlagehorizont = 20 Jahre, vollständige Reinvestition der Nettodividenden. Alle Werte sind auf volle Euro gerundet.