ESG-Ratings: Was die EU-Kommission im Sinne der Anleger plant

Freitag den 5.01.2024 - Abgelegt unter: Brokernews, Nachhaltig, Politik

Wer sein Geld nachhaltig anlegen möchte, verlässt sich hierbei zumeist auf die sogenannten ESG-Ratings. Doch es mehren sich die Zweifel an der Wertigkeit solcher Bewertungen, die von sogenannten Rating-Agenturen vergeben werden. Die EU-Kommission hat hierzu einen Gesetzesentwurf verabschiedet, um die Überwachung von ESG-Ratingagenturen zu stärken. Ziel ist es, Investoren bei nachhaltigen Entscheidungen zu unterstützen. Der Entwurf ist Teil der EU-Strategie zur Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft, die die Verbesserung von „Zuverlässigkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz von ESG-Ratings und Rating-Ausblicken“ anstrebt.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Kritik an ESG Ratings nimmt zu
  • EU-Kommission verabschiedet Gesetzesentwurf zur Überwachung von ESG Rating-Agenturen
  • Mehr Transparenz, Regulierung und Vergleichbarkeit sollen so geschaffen werden

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Wesentlicher Kritik? ESG Rating folgen keinen einheitlichen Standards

Zunächst gilt in der Diskussion Folgendes: ESG-Ratingagenturen sind entscheidend für die Beurteilung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen und Finanzprodukten. Investoren erhalten durch diese Bewertungen grundlegende Einblicke in ökologische, soziale und Governance-bezogene Aspekte von Organisationen, die weltweit Investitionsentscheidungen beeinflussen. Angesichts des rasanten Wachstums des ESG-Marktes und der zunehmenden Zahl von Ratingagenturen sieht die Europäische Kommission die Notwendigkeit, einheitliche Standards und klare Regeln für ESG-Bewertungen zu etablieren.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, bereits für die Überwachung von Credit Rating Agencys in der EU verantwortlich, soll nun auch die Aufsicht über ESG-Ratingagenturen übernehmen. In einem Brief an die Kommission kritisieren die Marktaufseher das „Fehlen einer gesetzlich verbindlichen Definition und Vergleichbarkeit zwischen Anbietern von ESG-Ratings sowie gesetzliche Vorgaben für die Transparenz der zugrunde liegenden Methoden solcher Ratings“ in der aktuellen Marktsituation.

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Umfrage offenbart Problematiken von ESG Ratings

Sowohl die Kommission als auch die ESMA haben im Frühjahr 2022 Marktteilnehmer konsultiert und um Stellungnahmen zu möglichen Problemen bei ESG-Ratings gebeten. An dem Konsultationsverfahren der EU-Kommission zur Nutzung und den Verbesserungspotenzialen von ESG-Ratings zwischen April und Juni 2022 nahmen insgesamt 168 Betroffene teil, darunter Investoren, Emittenten, Anwender und Ratingunternehmen.

Die Konsultationsergebnisse zeigen, dass 77 % der Befragten ESG-Ratings intensiv nutzen, wobei 83 % mangelnde Transparenz kritisieren und 91 % Verzerrungen in den Methodiken feststellen. Über 90 % fordern eine transparentere Methodik von ESG-Ratinganbietern. Weitere Schwerpunkte sind die Vermeidung von Interessenkonflikten (80 %), die Verbesserung von Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Ratings (73 %), die Klärung der Ziele verschiedener Ratingtypen (70 %) und die Definition dessen, was Ratings umfassen (68 %). 82 % befürworten eine Zulassung oder Registrierung für ESG-Ratingagenturen, während beeindruckende 97 % Mindestanforderungen für die Offenlegung der Methoden bei einem ESG-Rating wünschen.

Insbesondere die mangelnde Vergleichbarkeit ist ein viel diskutierter Aspekt. Die große Spannweite der Ratingergebnisse sorgt bei den Nutzern von ESG-Ratings regelmäßig für Unverständnis.

Die oft stark voneinander abweichenden Bewertungen lassen sich im Wesentlichen auf drei Aspekte zurückführen:

  • Unterschiede in der Messung bzw. Bewertung von Kennzahlen und Sachverhalten („measurement divergence“), was 56 % der Unterschiede erklärt.
  • Unterschiede im Scope, also welche Kennzahlen und Aspekte berücksichtigt werden („scope divergence“), verantwortlich für 38 % der Unterschiede.
  • Unterschiede in der Gewichtung der Bewertungskriterien („weights divergence“), was 6 % der Unterschiede erklärt.

Die Ursache für diese Unterschiede liegt vor allem darin, dass ESG-Ratings im Vergleich zur Bonitätsbewertung oder der Einschätzung der Insolvenzgefahr einen wesentlich breiteren Bewertungsraum abdecken. Die drei Dimensionen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) sowie die 17 Nachhaltigkeitsziele und 169 Sub-Ziele bieten eine umfassende Grundlage für die Bewertung von Unternehmen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitsleistung.

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EU-Kommission formuliert klare Anforderungen an ESG Ratingagenturen

Die Forderungen nach verstärkter Regulierung und damit verbesserter Vergleichbarkeit von ESG-Ratings sind somit durchaus nachvollziehbar. Infolge hat die EU-Kommission in ihrem Entwurfspapier klare Transparenz- und Governance-Anforderungen an ESG-Ratingagenturen formuliert. Die zentralen Punkte des Papiers sind:

Zulassung

Einführung einer Registrierungspflicht für ESG-Ratings, die Bewertungen von Einrichtungen, Finanzinstrumenten, Finanzprodukten oder Unternehmen im Zusammenhang mit dem ESG-Profil, ESG-Merkmalen oder der Exposition gegenüber ESG-Risiken oder den Auswirkungen auf Menschen, Gesellschaft und Umwelt betrifft.

Beaufsichtigung

Die ESMA wird die Aufsicht über ESG-Ratingagenturen übernehmen und dabei die Befugnis haben, Verstöße zu beenden, vollständige Informationen zu verlangen und Untersuchungen vor Ort durchzuführen. Die ESMA kann bei Bedarf Sanktionen oder Zwangsgelder verhängen.

Trennung von anderen Tätigkeiten

ESG-Ratinganbietern ist es untersagt, neben ihren Ratings weitere Dienstleistungen anzubieten, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden.

Anspruch an die Qualität von Ratings

ESG-Ratinganbieter müssen sicherstellen, dass ihre Ratings unabhängig, objektiv und von angemessener Qualität sind.

Schaffung von Kontroll- und Compliance-Mechanismen

Um Interessenkonflikte zu verhindern, müssen ESG-Ratinganbieter interne Richtlinien und Verfahren etablieren, einschließlich Kontrollmechanismen und einer Compliance-Funktion.

Validierung und regelmäßige Überprüfung der Methodiken

Anbieter sollen strenge, systematische, objektive und kontinuierliche Ratingmethoden verwenden, die einer Validierung unterliegen und mindestens einmal jährlich überprüft werden.

Verpflichtung zur umfassenden Transparenz

ESG-Ratinganbieter sind verpflichtet Informationen über ihre Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen für ihre ESG-Ratingaktivitäten und -Produkte öffentlich zugänglich machen.

Was hiermit deutlich wird: Die EU-Kommission reagiert mit diesem Entwurf gezielt auf die im Rahmen der Konsultation aufgezeigten Anliegen. Insbesondere Zulassung, Beaufsichtigung, Interessenkonflikt-Vermeidung, Qualitätsstandards und Transparenz werden betont – Anforderungen, die bereits für Bonitätsratingagenturen gelten.

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Was das nun in der Praxis für Anleger bedeutet

Erstmal nichts, denn bis dato handelt es sich nur um einen Entwurf, der noch keine Anwendung in der Praxis findet. Sollte es jedoch hierzu kommen, wird dies sicherlich zu einer weiteren Professionalisierung und höheren Qualität der Ratingprozesse und -methodik führen.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die angewandte Methodik und die betrachteten Kennzahlen und Aspekte geeignet sind, eine zuverlässige Bewertung gemäß der Ratingaussage zu ermöglichen. Die Transparenzpflichten bezüglich der Ratingaussage und Methodik dienen so vor allem dazu, Nutzern von ESG-Ratings zu helfen, diese besser zu verstehen und vor allem miteinander vergleichen zu können.

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Weiterführende Links und Quellen:

Wie das EU-Parlament ESG-Ratings regeln will (Paywall)

Environmental, Social and Governance (ESG) rating activities: Commission proposal for a Regulation on their transparency and integrity

Zuletzt aktualisiert am 30.01.2024