Der Jim-Rogers-Effekt

Deutschen Anlegern wird der Name Jim Rogers zunächst wenig sagen. Der 83-Jährige ist allerdings in den USA als Börsenprofi bekannt und gründete 1970 mit George Soros den Quantum-Fonds, der bisher beachtliche Renditen erwirtschaftet hat und den S&P500 regelmäßig schlägt. Rogers macht immer wieder auf die Gefahren bevorstehender Crashs aufmerksam, unter anderem warnte er 2008 vor der enormen Überschuldung privater Haushalte in den USA.

Auch aktuell warnt Rogers wieder vor einem Crash – der größte Börsencrash seines bisherigen Lebens stehe bevor. Was hat es mit dieser Warnung auf sich, welche Kriterien legt er zugrunde und wie präzise waren seine Vorhersagen in der Vergangenheit?

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Der Börsenguru Jim Rogers warnt vor einem Megacrash und hält aktuell viel Bargeld.
  • Seine Belege dafür können Gültigkeit haben, müssen jedoch nicht in dem Ausmaß, wie er es beschreibt.
  • Bislang blieb er mit seinen bisherigen Warnungen am Ende den Beweis schuldig.
  • Anleger sollten bei Crashwarnungen vorsichtig sein. Wer auf Rogers hörte, hatte für lange Jahre gute Chancen verpasst.

Wie treffsicher waren Jim Rogers Prognosen?

Die Prognosen für Börsencrashs und finale Weltwirtschaftskrisen ähneln ein bisschen den Weltuntergangsprognosen. Unstrittig ist, eines Tages werden diejenigen, die sagen, die Welt geht unter, Recht behalten. Wissenschaftlern zufolge hat der Planet seinen Zenit überschritten und in ca. 3,5 Milliarden Jahren gehen die Lichter aus.

Der nächste Börsencrash wird kommen – unstrittig. Aber wie sicher sind die Prognosen der Börsengurus wie Jim Rogers? Die nachfolgende Tabelle zeigt die Treffsicherheit dieses Insiders:

Jim Rogers warns… Indexstand zum Datum der Meldung Indexstand 12 Monate später Indexstand am 14.11.2025
Datum Aussage Dow Jones MSCI World Dow Jones MSCI World Dow Jones MSCI World
27.07.2010 „there has been a recession every four-to-six years, and that’s mean another one is due around 2012“ [1] 10.537,69 1.130,92 16,75% 16,63% 347,42% 284,08%
09.11.2011 „100% Chance of Crisis, Worse Than 2008“ [2] 11.780,94 1.180,59 8,78% 8,08% 300,20% 267,92%
19.08.2012 It’s Going To Get Really „Bad After The Next Election“ [3] 13.271,64 1.290,23 13,10% 16,37% 255,25% 236,66%
01.04.2013 „‚Run for the Hills‘ Now, I’m Doing It“ [4] 14.802,24 1.428,03 11,69% 17,90% 218,52% 204,17%
16.10.2014 „Sell Everything & Run For Your Lives“ [5] 16.117,24 1.592,60 6,82% 5,71% 192,53% 172,74%
25.06.2015 „I believe the market will go down“ [6] 17.890,36 1.781,48 -2,74% -9,69% 163,54% 143,82%
25.05.2016 „Now Jim Rogers Predicts Trillion-Dollar ‘Biblical’ Market Crash“ [7] 17.851,51 1.668,86 18,10% 14,72% 164,11% 160,28%
08.06.2017 „Jim Rogers expects the worst crash in our lifetime“ [8] 21.414,34 1.924,19 18,22% 11,10% 120,17% 125,74%
31.07.2018 „When we have a bear market, and we are going to have a bear market, it will be the worst in our lifetime.“ [9] 25.415,19 2.153,09 5,70% 1,60% 85,51% 101,74%
10.04.2019 „The Coming Global Financial Crisis Will Be The Worst In Our Lifetime“ [10] 26.157,16 2.147,98 -9,32% -8,20% 80,25% 102,22%
01.04.2020 „Coming Years Worst Bear Market“ [11] 20.943,51 1.781,27 58,30% 59,45% 125,12% 143,85%
02.03.2021 „The hype around „hot“ stocks, the retail-investing boom, and the surge in listings of special-purpose acquisition vehicles are all signs of an expanding stock-market bubble“ [12] 31.392,00 2.768,25 7,96% 7,08% 50,19% 56,91%
22.06.2022 “We’re going to have a recession, probably fairly soon” [13] 38.851,63 2.537,26 -12,60% 15,49% 21,35% 71,19%
28.06.2023 "You Should Be Extremely Worried" [14] 33.853,00 2.924,92 15,56% 20,06 39,27% 48,50%
05.08.2024 "I expect the next sell-off to be the worst in my lifetime" [15] 38.703,27 3.342,73 13,97% 21,56% 21,82% 29,94%
10.09.2025 "America, and therefore the world, is long overdue for a problem" [16] 46.590,24 4.223,67 2,84% -2,36%

Infografiken

Dow Jones

Jim Rogers Crash-Prognosen und Entwicklung des Dow Jones

MSCI World

Jim Rogers Crash-Prognosen und Entwicklung des MSCI World

Quellen:

[1] Telegraph.co.uk

[2] CNBC.com

[3] Moneymorning.com

[4] CNBC.com

[5] Zerohedge.com

[6] Marketwatch.com

[7] Jewishbusinessnews.com

[8] Businessinsider.com

[9] Forbes.com

[10] Wallstreetwindow.com

[11] Thetradable.com

[12] Businessinsider.com.com

[13] Yahoo.com

[14] Yahoo.com

[15] Yahoo.com

[16] cryptorank.io

Wir müssen Jim Rogers zu Gute halten, dass er am 20. Juni 2015 mit seiner Prognose richtig lag. Der Dow Jones gab ab dem Zeitpunkt seiner Aussage in den folgenden zwölf Monaten von 17.890,36 Zählen auf 17.399,86 Punkte nach. Gut, dass wir über die Krise gesprochen haben.

Bedauerlich sind die Prognosen der Gurus für alle diejenigen, die ihnen Glauben schenken und entsprechend agieren. Wer Jim Rogers folgte, verpasste viele gute Jahre in einen Wachstumsmarkt einzusteigen und an den steigenden Aktienkursen zu partizipieren.

Worauf beruht sein Pessimismus?

Kreditblasen drohen zu platzen

Unbestritten: Die enorme weltweite Überschuldung stellt eines der größten Risiken für Märkte dar. Zuletzt kriselte die Regierung in Frankreich (Staatsverschuldung 2024: Rund 3,3 Billionen Euro) und in den USA kam es zum längsten Shutdown der Geschichte, weil sich Demokraten und Republikaner über den US-Haushalt stritten. Ach ja: Die USA schiebt einen Schuldenberg von 35,8 Billionen US-Dollar vor sich her – Tendenz steigend. Selbst China, die jahrelang die Überschuldung von privaten Haushalten und Unternehmen kaum registrierten, steht inzwischen vor einem Problem: Die Lokalregierungen der chinesischen Provinzen lagen 2024 mit fast 48 Billionen RMB (6,78 Billionen US-Dollar) im Minus. Gleichzeitig belastete die Immobilienkrise in China (Stichwort Evergrande) die dortige Wirtschaft enorm.

Kurzum: Rogers wiederholende Warnung vor einer globalen Überschuldung ist korrekt. Soweit darf seinen Aussagen gefolgt werden.

Aktienkorrekturen, Rezession und die nächste Finanzkrise

Rogers benennt indes meist mehrere Faktoren, die auf einen Crash hindeuten. 2025 waren große Aktienkorrekturen, Rezessionsängste und eine drohende Finanzkrise aufgrund der hohen globalen Verschuldung sein Fokus. Er unterstrich die eigenen Aussagen, in dem er viele US-Aktien veräußerte und sich in „sichere“ Anlagen wie Gold und Silber zurückzog – zumindest propagierte er dies öffentlich. Investitionen in Landwirtschaft oder das setzen auf fallende Kurse kamen ebenfalls nicht zu kurz.

Ein Rückblick: Vor der Zinswende und der Coronakrise erklärte Rogers, dass Notenbanken unkontrolliert Geld in die Märkte pumpen würden, um deren Liquidität aufrecht zu erhalten – seiner Meinung nach ein Problem. Die damalige Niedrigzinspolitik hätte dazu beigetragem, dass es Firmen und privaten Haushalten geradezu leicht gemacht wurde, sich zu überschulden. Unstrittig ist, dass die Notenbanken weltweit einen Refinanzierungszinssatz von rund 13 Prozent im Jahr 1980 auf null Prozent oder leicht über null heruntergeschraubt hatten. Inzwischen hat sich das Bild aber erneut massiv verschoben. Der Refinanzierungszins der EZB liegt im Dezember 2025 bei 2,15 Prozent.

Eine Anregung, über die diskutiert werden darf: Jede Krise der vergangenen Jahre sei vorwiegend mit neuem Geld bekämpft, Banken und Staaten durch Unmengen Liquidität gerettet worden, anstatt eine kleinere Krise mit Selbstreinigungskräften zuzulassen.

Fehleinschätzung am US-Aktienmarkt

Auch Börsengurus können sich irren. Rogers sah den US-Aktienmarkt 2019 als besonders gefährdet an, da die Kurse für Aktien der Internetriesen nie nachgeben und immer nur steigen würden. Die Tatsache, dass die sogenannten FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix und Google) durchaus Kurskorrekturen hinnehmen mussten, hatte Rogers so nicht vorhergesagt. Dass dem starken Auftakt an den Börsen zu Jahresbeginn nun eine gewisse Volatilität folgte, lässt sich in erster Linie auf die geopolitischen Wirrungen zurückführen. Gründe für eine Panik bestanden laut Robert Halver, Analyst der Baader Bank, nicht (Focus Money, 26/2019, S. 36).

Trumps Handelskriege sind Öl ins Feuer der Baisse-Protagonisten

Trumps liebstes Drohmittel, Strafzölle gegen alle und jeden, der die US-Linie nicht mitträgt, könnte zusammen mit den weiteren Krisen die Welt in einen ökonomischen Abgrund treiben. Protektionismus ist in den Augen von Rogers Gift für die gesamte Weltwirtschaft. Bereits im Jahr 2016 warnte er bereits vor Trumps „America First“ in Bezug auf den Handel. Da Trump laut Rogers der Überzeugung ist, Handelskriege seien gut, und könnten gewonnen werden, sieht er langfristig kein definitives Ende des ökonomischen Säbelrasselns. Allerdings rechnet er damit, dass die USA und China kleine Lösungen finden werden, um die große Eskalation zu vermeiden. Damit hatte er teilweise recht.

Mittlerweile hat Trump im Rahmen seiner zweiten Amtszeit den Zoll-Säbel mehrfach geschwungen – mit mehr oder weniger guten Ergebnissen. Es bleibt indes der Hinweis, dass die Gefahr von Handelskriegen als Ursache für eine Mega-Finanzkrise eher gering ausfällt.

Krisen entstehen unbemerkt

Der Finanzkrise von 2008 gingen einige seismische Erschütterungen voraus, die von den Verantwortlichen bei den Zentralbanken aber nur als Einzelfälle gesehen wurden, nicht als Vorläufer eines weltweiten Bebens. Island stand am Staatsbankrott, Irland folgte, US-Banken mussten dicht machen – es waren Einzelschicksale. Erst die Pleite von Lehman Brothers zeigte urplötzlich den globalen Zusammenhang.

Rogers sah zwischenzeitlich deutliche Anzeichen für das Aufkommen der nächsten Weltwirtschaftskrise. Venezuela, das Land mit dem größten Ölreichtum, war einmal mehr pleite. Der türkische Hype verflog, die Wirtschaft stagnierte. Indonesien und Argentinien schwächelten und um das Baltikum-Vorzeigeland Lettland wurde es auch stiller.

Italien ist und bleibt bisweilen ein Risikofaktor in der EU, mit einer aufkommenden Rechtsregierung und einer Verschuldungsquote von 138 Prozent des BIP. Ein Zusammenbruch der italienischen Wirtschaft hätte zweifellos verheerende Folgen für Europa.

Claudio Borghi, Lega-Abgeordneter und Präsident der Finanzkommission, hatte schon 2017 erläutert, wie der italienische Austritt aus dem Euro erfolgen könne. Man müsse nur kleine Schritte machen und jeden Schritt begründen, ihn als harmlos, aber notwendig darstellen, ohne das finale Ziel, den Austritt aus dem Euro, zu erwähnen. Im Mai 2019 hatten die Italiener mit der Verabschiedung der Mini-Bots den ersten Schritt gemacht. Dabei handelt es sich um eine Art kurzfristige Staatsanleihe in Stückelungen von unter 100 Euro. Sie sollten Firmen dazu dienen, die Schulden des Staates bei ihnen zu reduzieren und wären als Zahlungsmittel erlaubt.

Die zusätzlichen Anleihen würden die Rückzahlungsfähigkeit der in Umlauf befindlichen Papiere deutlich beeinträchtigen. Deren Kurse würden nachgeben, die Rückzahlung respektive Zinszahlung in den verhassten Euros zugunsten der neuen eigenen Währung könnte fraglich werden. Die eine oder andere italienische Bank, die Staatsanleihen in den Büchern führt, hätte dann ein Problem.

In den Risikoszenarien von Jim Rogers stellte Italien 2019 das größte Problem für Europa dar. Derzeit ist dieses Szenario aber in den Hintergrund getreten und andere Krisenherde beschäftigen die Investoren-Legende mehr.

Unser Fazit

Man muss nur oft genug Prognosen abgeben. Liegt man falsch, geraten sie schnell in Vergessenheit. Liegt man jedoch nur einmal richtig, hat man den Status des Börsenprofis. So beschreibt es der US-Anlageberater Taylor Money. Eine hübsche Umschreibung, wie man mit heißer Luft zu einem Bekanntheitsgrad kommen kann. Die 4.000 Prozent Plus, die Rogers mit seinem Quantum-Fonds in den 70er Jahren einmal in einem Jahr realisierte, interessieren kaum jemanden. Panik lässt sich besser vermarkten.

Der im September 1999 verstorbene André Kostolany galt ebenfalls als Börsenguru. Eine seiner Maxime lautete, es gibt keinen richtigen Zeitpunkt, um in Aktien einzusteigen, jeder Zeitpunkt ist richtig. Er vertrat auch den Standpunkt, Aktien kaufen, sich zehn Jahre schlafen legen, und dann schauen, was daraus geworden ist. Das hektische, von Panik und Crashphantasien betriebene Handeln war für ihn der „Handel der zittrigen Hände“.