Das Sondierungspapier der Ampel

Montag den 18.10.2021 - Abgelegt unter: Brokernews

Die an einer möglichen “Ampel” beteiligten Parteien SPD, FDP und Grüne haben ihre Sondierungsgespräche soweit erfolgreich abgeschlossen, dass die Parteigremien ihre Zustimmung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gegeben haben. In so „wesentlichen“ Punkten wie „kein Tempolimit ab 130 km/h“ wurde vergleichsweise schnell eine Einigung erzielt. In anderen Punkten wie der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige retteten sich die Beteiligten mit eher schwammigen Vorformulierungen in die Koalitionsrunde.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Aktienrente als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung brächte teilkapitalbildende Rentenversicherung
  • Auswirkungen für Selbstständige sind nicht klar ausformuliert, sondern bleiben schwammig
  • Staatsfonds für Aktienrente würde die Fehler, die bei Riester begangen wurden, vermeiden
  • Anpassung von Obergrenzen bei Minijobs und Mindestlohn sicher
  • Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages hat nur Alibicharakter

Die Aktienrente – Lindners Vorstoß

Das Thema Rente wurde im Wahlkampf merkwürdig leise abgehandelt, im Fokus standen mehr die Fehler der Kandidaten. Dabei ist die Idee einer Aktienrente, wie sie Christian Lindner nach skandinavischem Vorbilde fordert, eine echte Chance dar.
Olaf Scholz hatte versprochen, dass es mit der Rente auf jeden Fall nicht schlechter würde. Der Wert soll bei 48 Prozent des letzten Bruttoeinkommens eingefroren und Beitragsanpassungen ausgeschlossen werden.

Bei steigenden Zahlen an Rentenbeziehern, die Baby-Boomer reichen langsam ihre Anträge ein, bedarf es eines Alchimisten, um die Scholzschen Ideen zu realisieren. Oder die, als systemwidrig geltenden, Quersubventionen zur gesetzlichen Rentenversicherung von bislang 100 Mrd. Euro jährlich werden nach oben korrigiert.

Eine Aktienrente hätte da mehr Charme. Wer sich die langfristigen Kursverläufe der Börsen anschaut, stellt fest, dass der Weg der Aktien einen grundsätzlichen Trend nach oben aufweist. Die Idee der Aktienrente nach schwedischem Vorbild ist einfach. Der Staat legt einen Staatsfonds auf, der Aktien ankauft.

Alle Beschäftigten führen dafür zwei Prozent ihres Bruttolohns ab. Mit Eintritt in das Rentenalter wird aus diesem Topf die Rente gespeist. Die immer wiederkehrenden Kursanstiege der Aktien relativieren teilweise den Mehrbedarf an Fondsvermögen durch eine steigende Zahl an Rentenbeziehern.

Es fehlt im Sondierungspapier allerdings das klare Bekenntnis zu Aktien. Die schwammige Formulierung lautet: „Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen.“ Wer sich mit Anlageprodukten auskennt, weiß, dass diese Aussage auf Aktien abzielt, aber ein klares Bekenntnis wäre angebracht gewesen. Es würde die Option ausschließen, dass sich die private Versicherungswirtschaft erneut mit einem alternativen Produkt ins Spiel bringt.

Die Implementierung eines Staatsfonds, sozusagen einer Nonprofit-Organisation, sollte die Lehre aus der Riester-Rente sein. Einzig die Finanzindustrie konnte wirklich davon profitieren. Halten wir in Erinnerung, dass es Versicherer gab, deren Verwaltungskosten in der Höhe den staatlichen Zulagen entsprachen …

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Geplant ist, die zweite Rentenoption als teilweise kapitalgedeckte Variante aufzulegen, nicht ausschließlich auf dem Umlageprinzip basierend, und ausgestattet mit einem Einstieg von zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln.

Deutschland hat durchaus gute Erfahrungen mit Staatsfonds gemacht. Der KENFO, der Fonds zur Finanzierung zur Entsorgung kerntechnischer Abfälle, hat es in zwei Jahren auf ein Plus von 20 Prozent gebracht.

Einen Haken weist das Modell allerdings auf. Die Rede ist von allen Beschäftigten und schließt damit auch Selbstständige mit ein. Das neue Rentenmodell soll für Selbstständige eine Option zur gesetzlichen Rentenversicherung darstellen. Übersetzt heißt das, dass die beispielsweise in Österreich geltende Rentenversicherungspflicht für alle auch in Deutschland eingeführt würde, nur eben mit der Option, dass Selbstständige wählen können.

Was ist aber mit den Selbstständigen, die selbst schon seit Jahren ihre Altersvorsorge durch Aktien sicherstellen? Müssen diese dann zusätzlich in den Staatsfonds einzahlen? Das sind genauso Fragen für die Koalitionsverhandlungen, wie das Festschreiben der Kompromisse der FDP im Gegenzug zur “Lindner-Rente”.

Modifizierung beim Mini- und Midijobs

Im Segment der Beschäftigungsverhältnisse mit geringeren Einkommen sind genauso Modifizierungen angestrebt wie beim Mindestlohn. Minijobs sollen nach Vorstellungen von SPD und Grünen auf 520 Euro monatlich aufgestockt werden und Midi-Jobs von bisher 1.300 Euro im Monat auf 1.600 Euro. Ein weiterer Preis, den die FDP für die Einführung der Aktienrente zahlen muss, ist die Zustimmung zu einer Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde.

Das heikle Thema Steuern

Während die einen, SPD und Grüne, die Vision einer Steuererhöhung für Besserverdienende anstrebten, hatte die FDP von Anfang an eine mögliche Steuererhöhung als “rote Linie” definiert. Den Beteiligten dürften die Konsequenz der Liberalen im Jahr 2017 noch im Hinterkopf gehabt haben, waren die Themen Einkommen- oder Umsatzsteuererhöhung doch recht schnell vom Tisch. Gerade den Jusos und der Grünen Jugend, dürfte das ein Dorn im Auge gewesen sein.

Marginale Bewegung gab es dagegen beim Sparerpauschbetrag, im Jahr 1975 als Sparerfreibetrag unter dem Begriff “Grundsparförderung” eingeführt. Leider wurden die Erwartungen bezüglich der Anpassung des Sparerpauschbetrages von der Ampel in den Sondierungsgesprächen nicht erfüllt. Eine Anhebung ist von derzeit 801 Euro auf 1.000 Euro geplant. Dass es deutsche Sparer schon besser hatten, zeigt die folgende Tabelle:

Zeitraum Freibetrag pro Person
bis 1974
1975 – 1989 300 DM (153 EUR)
1990 – 1992 600 DM (307 EUR)
1993 – 1999 6.000 DM (3.068 EUR)
2000 – 2001 3.000 DM (1.534 EUR)
2002 – 2003 1.550 EUR
2004 – 2006 1.370 EUR
2007 – 2008 750 EUR
seit 2009 801 EUR

Im Vergleich mit der Zeit zwischen 1993 und 2006 stellt die Erhöhung auf 1.000 Euro nicht wirklich einen Gewinn für Anleger dar.

Das Bürgergeld – alter Wein in neuen Schläuchen?

Hartz IV oder Grundsicherung – kaum ein Wort im Vokabular der Sozialgesetzbücher ist so negativ besetzt, wie diese beiden. Die Ampel hat in der Sondierung beschlossen, Hartz IV abzuschaffen. Um das soziale Netz allerdings aufrecht zu erhalten, greift an der Stelle der Grundsicherung das Bürgergeld. Der Vorsatz, das Bürgergeld im Vergleich zum bisherigen Vorgehen zu entbürokratisieren ist löblich. Allerdings fällt ein Passus ins Auge: “An Mitwirkungspflichten (der Bezieher, Anm. der Redaktion) halten wir fest …”. Gerade die “Mitwirkungspflichten” waren es, die zum permanenten Spannungsfeld zwischen Job-Center und Bezieher führten.

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Zuletzt aktualisiert am 19.10.2021